Badische Truppen im Gefecht bei Nuits am 18. Dezember 1870
Die Spange (linke Abbildung) ist in vielerlei Hinsicht eine Besonderheit. Der leider unbekannte Träger dieser Spange war dem von ihm mitgemachten Gefecht bei Nuits stark verbunden. Anders kann man wohl die gegen alle Regularien angebrachte Kugel nicht erklären. Man kann darüber spekulieren, ob er dieses Chassepot-Geschoss damals auf dem Gefechtsfeld einfach als Andenken mitgenommen hat, oder ob er sogar durch dieses Geschoss verwundet wurde? Auf jeden Fall hat er sich entschlossen, sich diese Kugel in Silber fassen zu lassen und am Bande der badischen Felddienstauszeichnung zu tragen, als er diese Spange kurz vor der Jahrhundertwende hat anfertigen lassen. Die Fassung ist mit der Inschrift graviert: „Nuits 18. Dez. 1870“. Man muss sich wundern, wie er damit und mit dem zweiten Regelverstoß an der Spange – nämlich der Landwehrdienstauszeichnung in einer nicht den Vorschriften entsprechenden emaillierten Ausführung – bei den Anlässen, bei denen er sie trug, unbeanstandet durchkam. Es war wohl der hohe Respekt vor den Veteranen in einer eventuell ländlichen Region, die dies ermöglichte. Als aktiver Soldat in einer Garnison wäre so eine Trageweise undenkbar.
Das Gefecht bei Nuits ist eines der herausragenden Waffentaten der badischen Truppen im Feldzug 1870/71. Ein glänzendes Beispiel von Tapferkeit und unerschrockenen Vorgehens gut ausgebildeter und disziplinierter Truppen. Hier wurde auch eines der ersten Male das Vorgehen in kurzen Sprüngen von aufgelockerten Gruppen durchgeführt. Trotzdem bezahlten die badischen Truppen einen hohen Blutzoll vor den gut gedeckten Linien der Franzosen.
Ein kurzer Abriss des Gefechts, soll an dieser Stelle den Leser grob über die damalige Lage und den Hergang des Kampfes orientieren. Wer sich weitergehend mit dem Gefecht beschäftigen will, dem sei die gelungene Abhandlung von Major a.D. Kunz von 1892 empfohlen.
Ein Sieg zum Geburtstag des Prinzen Wilhelm von Baden (1829 – 1897)
Zum Gefecht am 18. Dezember 1870 führte eine Direktive des großen Hauptquartiers, die General von Werder am 13. Dezember 1870 in Dijon erhielt. Hiernach sollte er mit den ihm unterstellten Truppen nach Möglichkeit die Belagerung von Belfort fördern und gemeinsam mit dem 7. Armeekorps die rückwärtigen Verbindungen der I. und III. Armee sichern. Die Wichtigkeit einer dauernden Besetzung des Landstriches zwischen Dole und Arc et Senans wurde vom großen Hauptquartier hervorgehoben, da von hier aus die Besanon und Belfort mit dem südlichen Frankreich verbindenden Bahnlinien leicht zerstört werden konnten. Zur Durchführung dieser Aufgabe empfahl General Graf Moltke einen lebhaften Bewegungskrieg und kräftige, mit ausreichenden Mitteln unternommene Vorstöße gegen Truppenansammlungen des Gegners. So wurde ein Vorstoß gegen das von den Franzosen mit überlegenen Kräften besetzte Gebiet um Nuits angesetzt. Beispielhaft für das Gefecht und die Vorgehensweise der Badener sei eine Szene aus dem Gefecht am Bahneinschnitt vor Nuits geschildert.
„Anfangs fand das Vorrücken in durchaus geordneter Weise statt. Bald aber zwang das verheerende Schnellfeuer der Franzosen zuerst die Unterstützungstrupps und dann auch die dritten Züge der Kompanien zur Auflösung und Einrücken in die vorderste Linie. Bald war nur noch eine lockere, aber sehr lange Schützenlinie vorhanden. Sprungweise, in möglichst raschen und kurzen Absätzen, wurde vorgegangen. Das Angriffsfeld war zwar eben aber mit zahlreichen Rebgärten durchsetzt, welche mit Drahtgeflecht versehen waren und damit ein erhebliches Annäherungshindernis bildeten. Zudem war der Boden komplett aufgeweicht, so dass viele Stiefel der Angreifer im weichen Boden stecken blieben. Die Franzosen waren am Bahneinschnitt komplett gedeckt und konnten in vollkommener Ruhe nachladen. Nach fast drei Stunden Kampf brachen die Badener auf der ganzen Angriffslinie in den Feind ein. An vielen Stellen kam es zu Handgemengen. Die Franzosen wurden aus ihrer zäh behaupteten, vorzüglichen Deckung herausgeworfen und eilten nun in wilder Flucht auf Nuits zurück, dabei erbarmungslos vom Schnellfeuer der Sieger verfolgt. Der Tod hielt reiche Ernte. Das 2. Grenadier Regiment hatte seinen Kommandeur, Oberst von Renz und dessen Adjutanten verloren. Prinz Wilhelm von Baden wurde schwer verwundet (siehe Kasten); General von Glümer erhielt einen Schuss durch den Arm; sein Adjutant, Leutnant von Degenfeld wurde erschossen. Viele andere Offiziere waren tot oder verwundet, aber der Heldenmut der Badener war keinen Moment erlahmt. Die Opfer, welche der Sieg der Badener gekostet hatte, waren allerdings groß. An Toten und Verwundeten verloren sie 55 Offiziere und 885 Unteroffiziere und Mannschaften. Die Verluste der Franzosen betrugen ungefähr 2.500 Mann, wovon 16 Offiziere und 633 Mann in Gefangenschaft gerieten. Die Badener hatten an diesem 18. Dezember trotz erschwerter Verhältnisse einen glänzenden Sieg davongetragen. Der innere Halt der Franzosen an dieser Stelle war derartig erschüttert, dass sich die Deutschen für die nächste Zeit keine Sorgen machen brauchten. Der Zweck des Vorstoßes auf Nuits war also erfüllt."
Wie oben schon angedeutet, wurden die Badener in einer „losen Führung“ ins Gefecht geführt. Die Badener hatten diese Vorgehensweise schon im Frieden eingeübt. Die Preußen kamen erst nach den furchtbaren Verlusten der Garde Infanterie bei St. Privat zu der Einsicht, dass jede Kolonnenformation im wirksamen Feuer der Chassepot Gewehre einem Selbstmord gleichkam. Man kann in diesem Gefecht der Badener im weitesten Sinn die Geburtsstunde der Auftragstaktik sehen, die der Deutschen Armee in den noch folgenden Kriegen einen bedeutenden Vorteil verschaffte.
Prinz Wilhelm von Baden
Geboren am 18. Dezember 1829 als dritter Sohn des Grossherzogs Leopold und der Grossherzogin Sophie von Baden. Im 1. Preussischen Garde-Regiment zu Fuss bis zum Major befördert, erreichte er 1861 in der Garde-Artillerie den Rang eines Brigadegenerals. 1863 verliess er den preuss. Militärdienst und kommandierte als badischer Generalleutnant eine Felddivision. Mit Beginn des Krieges 1870 an der Seite von General von Werder, erbat und erhielt der Prinz das Kommando der 1. Badischen Infanteriebrigade. In dem blutigen Gefecht um den Besitz von Nuits am 18. Dezember (seinem Geburtstag) erhielt der Prinz einen Gewehrschuss durch den Mund mit Austrittskanal durch den Gehörgang. Er gab sogleich das Kommando ab und noch im Wegtragen feuerte er seine Soldaten zum mutigen Ausharren an. Seine Heilung verlief rasch und glücklich. Nach erfolgter Genesung eilte er wieder nach Frankreich um das Kommando seiner Brigade wieder zu übernehmen. Mit dieser trat er den Rückmarsch durch das Oberelsass in die Residenzstadt Karlsruhe als Sieger ein. Nur nach wenigen Tagen der Ruhe begab er sich im März 1871 nach Berlin zur Erfüllung seiner Pflichten als Volksvertreter in der Partei der Freikonservativen.
Bericht: Sven Rothmann
Text- und Bildquellen:
- Vom Kriegsschauplatz – Illustrierte Kriegszeitung 1870/71 für Volk und Heer, Nummer 57, 1871
- Das Gefecht bei Nuits am 18.12.1870, von Major a.D. Kunz, Verlag Ernst Siegfried Mittler & Sohn, Berlin 1882.