Vor 100 Jahren: Abzug im Juni 1920
Links: Das Grab von Reichskanzler Dr. Joseph Wirth (1879-1956)
Die Niederlage im November 1918 hatte die Deutschen tief getroffen. Darüber hinaus erschienen die wirtschaftlichen und politischen Folgen des Krieges und insbesondere des Versailler Diktats auf Jahrzehnte hinaus unüberwindbar.
Deutschland befand sich 1919 an einem Tiefpunkt seiner Geschichte.
In dieser veränderten Situation waren es die Soldaten der vorläufigen Reichswehr die ihre Pflicht taten, um die Ordnung und Sicherheit des Staates zu gewährleisten.
Der Aufbau gestaltete sich aus den Resten der alten Armee. Auch in Baden entwickelte sich das Verhältnis zwischen den Vertretern der Staatsregierung und den Soldaten von Beginn an gut. Für die Regierung war dies schon aufgrund der drohenden Gefahr eines Umsturzes zugunsten der Ausrufung einer Räterepublik unerlässlich. Die Vorgänge in München, im Ruhrgebiet und anderen Regionen Deutschlands bestätigten dies. Dazu kam die Bedrohung durch rechtsextreme Kräfte, wie sich im gescheiterten Kapp-Putsch im März 1920 zeigte.
Der Freiburger Stadtrat pflegte engen Kontakt zum in Freiburg liegenden Schützen-Bataillon 5 und dessen Kommandeur Major Richard Waenker v. Dankenschweil (1876-1937). Das Bataillon war Teil des im Oktober 1919 gebildeten Schützen-Regiment 113, welches in den Jahren 1920 und 1921 im 14. (Bad.) Infanterie-Regiment aufging.
Die Soldaten rekrutierten sich aus dem bedingt durch die Bestimmungen des Versailler Vertrages aufgelösten 5. Badischen Infanterie-Regiment Nr.113, dem alten Freiburger Hausregiment. Ihr Quartier war die Nordkaserne (auch Erbgroßherzog-Friedrich-Kaserne), heute Bundesfinanzdirektion Südwest, Hauptzollamt, Finanzamt Freiburg-Stadt, Gesundheitsamt und ehemaliges Kreiswehrersatzamt. Der Übungsplatz war, wie schon vor 1914, auf dem Gelände des Flugplatzes, die Schießanlage direkt daneben, heute stehen dort diverse Einrichtungshäuser. Der badische Finanzminister Dr. Joseph Wirth (1879-1956), Zentrumspartei, traf bei einem Vorstellungsbesuch auf „altgediente, ehrenvoll ausgezeichnete Leute“ 1. Die Stadtverwaltung versuchte durch die Errichtung einer Wirtschafts- und Unterstützungskasse ebenso wie durch Vergünstigungen bei kulturellen Veranstaltungen, so beim Theaterbesuch, auf die Soldaten einzugehen.
Postkarte von 1912: Nordkaserne des Infanterie-Regiment Nr.113
Major Waenker v. Dankenschweil wurde im Sommer 1919 zum Badischen Militär-Bevollmächtigten beim Reichswehrministerium in Berlin befördert und schied 1930 mit dem Charakter als Generalleutnant aus der Reichswehr aus.
Wirtschaftliche Schwierigkeiten begleitete das Freiburger Bataillon allerdings von Beginn an. Im September 1919 beschrieb der neue Kommandeur, Major Paul Platz (1873-1964), die angespannte finanzielle Situation sogar als Behinderung bei der sportlichen Betätigung seiner Männer, so gebe es keinerlei Sportgeräte 1.
Im Januar 1920 berieten der Major und der Stadtrat über die Aufstellung einer Kompanie mit Zeit-Freiwilligen, die in der Kaserne eingekleidet, aber nur im Bedarfsfall verpflegt und untergebracht werden sollten. Ausdrückliche Aufgabe sei der Schutz der Stadt im Falle von Umsturzversuchen. Ähnlich der zu diesem Zeitpunkt noch bestehenden Einwohnerwehr unter dem Kommando von Oberstleutnant a. D. Max Knecht (1874-1954). Die Vorkommnisse im Ruhrgebiet, in dem die bolschewistische „Rote Ruhrarmee“ bürgerkriegsähnliche Zustände hervorrief, und der gescheiterte Kapp-Putsch vom März 1920 verstärkten den Wunsch nach Sicherheit. Zudem bestand die grundsätzliche Gefahr einer Besetzung durch französische Truppen. Seit Januar 1919 war das Rheinland besetzt, im April 1920 wurden Teile des Maingebietes ebenfalls Opfer einer Okkupation.
Schließlich forderte die schrittweise Realisierung des Versailler Vertrags zusätzlich rechts des Rheines eine etwa 50 Kilometer breite entmilitarisierte Zone. Eine Verhinderung dieser Maßnahme war für das Reich nicht realisierbar und folglich war Freiburg direkt betroffen.
Links: Erbgroßherzog Friedrich Kaserne um 1910, Rechts: Erbgroßherzog Friedrich Kaserne heute, Finanzamt Freiburg Stadt.
Ein französischer Überfall blieb zwar aus, aber am 08. Juni 1920 musste das Schützen-Bataillon 5 aus Freiburg abziehen. Abends gegen 19 Uhr rückten die Soldaten mit klingendem Spiel von der Kaserne zum Güterbahnhof, wo sie von der Bevölkerung und Vertretern der Stadt verabschiedet wurden. Ausgestattet mit einer offiziellen Gabe von 3 Zigarren und 5 Zigaretten für jeden Mann erfolgte der Abtransport nach Donaueschingen. Dort wurde das Bataillon noch im Sommer 1920 zum Ergänzungsbataillon des sich im Aufbau befindlichen 14. (Bad.) Infanterie-Regiment. Nach Wiedereinführung der Wehrpflicht im Jahre 1935 bildete es einen Teil des Infanterie-Regiments 75. Die Garnisonsstädte der 14er waren ab 1921 Donaueschingen, Konstanz, Meinigen, Tübingen und Villingen. Major Paul Platz versetzte als Stabsoffizier ebenfalls zum Infanterie-Regiment 14 nach Konstanz. Danach war er als Oberst von 1923 bis 1927 Kommandant des Truppenübungsplatzes Münsingen. Im Januar 1927 wurde er mit dem Charakter als Generalmajor verabschiedet.
Auch die in Lahr liegende 8. Eskadron (Reiter-Regiment 18) ereilte dasselbe Schicksal, sie musste nach Ludwigsburg abrücken. Dort wurde sie aufgelöst und in die 4. Eskadron integriert.
In jener unsicheren Zeit erfreute sich kaum jemand an der Tatsache einer entmilitarisierten Zone, so dass eine Wiederkehr der Soldaten von der Bevölkerung sehr gewünscht wurde.
Bericht: Boris Günther
Quellen:
StAF C4/XI/27/6
Breisgauer Zeitung v. 09.06.1920