Aus unserer Verbandszeitschrift

Vor 100 Jahren

Die Auswirkungen des Kapp-Putsches und kommunistischer Umsturzversuche gegen die Weimarer Republik in Freiburg im März 1920

kapp start

Die Ausgangslage

Links: Generallandschaftsdirektor Wolfgang Kapp

Betrachtet man die Ursachen des Unmuts in jenen Tagen, kommt man nicht umhin den Versailler Vertrag und seine Auswirkungen an erste Stelle zu setzen. Die Reduzierung der vorläufigen Reichswehr von 400.000 auf 100.000 Mann, darunter auch die Auflösung vieler Freikorps, sollte bis zum Januar 1921 abgeschlossen sein. Im ganzen Reich wurden Nahrungsmittel und Kohlen knapp, weite Teile der Bevölkerung hungerten und froren. In Freiburg gelang es in dieser Zeit nicht, die Milchversorgung der Bevölkerung zu gewährleisten. Eine beginnende Inflation tat ein Übriges, kommunistische Kräfte versuchten seit November 1918 fast ohne Unterbrechung den Umsturz herbeizuführen. Die Republik von Weimar schien bereits im zweiten Jahr ihres Bestehens am Ende.
Auch in nationalen Kreisen rumorte es aufgrund dieser Ausgangslage seit Monaten. Eine Entwicklung, die sich am Anfang des Jahres 1920 zu entladen begann.

 

Kapp Freiherr von Lüttwitz

Der Putschversuch

Links: General der Infanterie Walther Freiherr von Lüttwitz

Am 12. März 1920 marschierten Truppenteile unter dem Befehl des Oberbefehlshabers des Gruppenkommando 1, General d. Infanterie Walther Frhr. v. Lüttwitz (1859-1942), der im Januar 1919 bereits den Spartakus-Aufstand niederschlug, vom Truppenübungsplatz Döberitz nach Berlin. Bestehend aus der Brigade des Korvettenkapitäns Hermann Ehrhardt (1881-1971)1 , deren Auflösung unmittelbar vor dem Putsch durch den Reichswehrminister Gustav Noske (1868-1946), SPD, befohlen worden war, rückten sie am Morgen des 13. März in die Reichshauptstadt ein und besetzten das Regierungsviertel. An die Spitze des Putsches stellte sich ein Beamter, der ostpreußische Generallandschaftsdirektor Wolfgang Kapp (1858-1922) und wurde zum Reichskanzler erklärt. Ziel war es, die nationale Gegenrevolution einzuleiten. Die Reichswehrführung war nicht bereit, den Putsch zu unterstützen, zögerte aber mit einer Niederschlagung. Der Chef des Truppenamtes, Generalleutnant Hans v. Seeckt (1866-1936) wollte nicht Soldaten auf Soldaten schießen lassen, da er ein Auseinanderbrechen der Reichswehr fürchtete. Die Reichsregierung floh indessen mit Reichskanzler Gustav Bauer (1870-1944), SPD, und Reichspräsident Friedrich Ebert (1871-1925), SPD, nach Dresden und von dort aus weiter nach Stuttgart.


 

Die Auswirkungen in Freiburg

Am Morgen des Putschversuches druckte die Breisgauer Zeitung eine Sonderdepesche, in der ein Aufruf der Putschisten zur Bildung einer Regierung der Ordnung, der Freiheit und der Tat bekannt gegeben wurde.
Der Freiburger Stadtrat erhielt am 15. März aus Karlsruhe ein Telegramm, nachdem alle Schulen und die Universität aufgefordert wurden den Unterricht, bzw. die Vorlesungen fortzusetzen. Schüler und Studenten sollten durch diese Maßnahme von den Straßen ferngehalten werden. Am 16. März stellte die Stadt dem in der Freiburger Erbgroßherzog-Friedrich-Kaserne liegenden Schützen-Bataillon 5 der Reichswehr drei LKW mit Fahrer zur Verfügung.
Einige Parteien bildeten einen Aktionsausschuss, bestehend aus SPD, USPD und KPD, und in ganz Baden kam es zu einem von den Gewerkschaften beschlossenen Generalstreik. Auch in Freiburg zog ein Demonstrationszug vom Karlsplatz aus durch die Innenstadt. Auf dem Münsterplatz und dem Holzmarkt organisierten sich Kundgebungen. Abends gegen 20 Uhr eskalierte dann die Situation. In der Karlskaserne befanden sich zu diesem Zeitpunkt etwa 30 Angehörige der Freiburger Einwohnerwehr, darunter auch deren Leitung2. Kommandant war bis zum 15. März 1920 Oberstleutnant a.D. Max Knecht (1874-1954), früher Offizier der Kaiserlichen Schutztruppe in Deutsch-Ostafrika und nach 1936 Führer des Reichskriegerbundes Kyffhäuser in Baden3.
Angeblich hatte er im Gasthof „Traube“ ein Hoch auf Kapp herausgebracht, was er zwar als Verleumdung bezeichnete, dennoch daraufhin zurücktreten musste.
Vor der Kaserne verlangten nun Demonstranten die Auslieferung der Einwohnerwehr-Angehörigen. Der die Kaserne umgebende Zaun wurde eingedrückt, daraufhin griff Schutzpolizei ein und ging gegen die Aufrührer mit Warnschüssen vor.

Plötzlich fielen aus der angestauten Menge der Demonstranten Schüsse, Unbekannte warfen unabhängig voneinander mehrere Handgranaten auf die Polizisten und die Einwohnerwehr. Wachtmeister August Rohrhirsch (*1886), der Zivilist Adolf Kirschbaum (*1867) sowie der Arbeiter Weckerle (*1897) fanden bei diesen Gewaltakten den Tod. Weitere Menschen wurden verletzt in die Uni-Klinik eingeliefert. Minuten später fand man in der nahegelegenen Engelstraße einen weiteren Toten.
Inzwischen hatten sich Oberbürgermeister Dr. Emil Thoma (1854-1932) und der Stadtrat vorbehaltlos hinter die badische Regierung in Karlsruhe gestellt. Einen Tag nach den Unruhen, am 17. März, kehrte auch in Freiburg wieder Ruhe ein.

kapp collage

 Links: Eine Gegendemonstration in Berlin.
Rechts: Kraftwagen der Brigade Ehrhardt in Berlin.

 

Aufruf der SPD zum Generalstreik vom 13.03.1920.

 Kapp SPD Aufruf zum Generalstreik 1920 03 13

 

Kapp Freiburg Herrenstraße frueheres Gasthaus Traube

Das Scheitern des Putsches

Links: Freiburg Herrenstraße: Früheres Gasthaus "Traube".

Reichspräsident Ebert kehrte mit der Regierung wieder nach Berlin zurück und gab das Scheitern des Putsches bekannt: „Das wahnwitzige Unternehmen der Kapp und Lüttwitz, die Deutschland in schweres, in seinen Folgen nicht übersehbares Unglück gestürzt haben, ist zusammengebrochen. An der Festigkeit der Staatsregierung ist der Staatsstreich gescheitert.“4; Überall im Reich wurden derartige Proklamationen zur Beruhigung des Volkes ausgehängt. General v.Lüttwitz und Kapp hatten zögerlich gehandelt und nicht genügend Rückhalt gefunden, insbesondere die preußische Ministerialbürokratie verweigerte die Zusammenarbeit. Weiterhin bewirkte ein Generalstreik die Handlungsunfähigkeit der Putschisten. Regierung und Gewerkschaften einigten sich auf ein Acht-Punkte-Programm, doch die kommunistischen Unruhen dauerten an und gewannen an Intensität.
In Freiburg beerdigte man indessen unter großer Anteilnahme der Bevölkerung die Toten vom 16. März auf dem Hauptfriedhof. Dabei wurden die Beisetzungskosten für den ermordeten Wachtmeister Rohrhirsch von der Stadt übernommen.
Am 29. März versuchten revolutionäre Betriebsräte mithilfe von Flugblättern die Arbeiter weiter aufzuwiegeln. Kommunisten und spartakistische Kräfte riefen am folgenden Tag zu einer Kundgebung auf dem Münsterplatz auf.

Diese Vorgänge standen in engem Zusammenhang mit den revolutionären Umsturzversuchen durch eine bewaffnete „Rote Ruhrarmee“, KPD und USPD im Ruhrgebiet, dem sogenannten Ruhraufstand. Diese auf etwa 60.000 Mann angewachsene Macht und ihr Terror gegen Teile der Bevölkerung veranlasste die Regierenden zu handeln. Das Bielefelder Abkommen vom 24. März, zwischen Gewerkschaften, Parteien und Regierungsvertretern verhandelt, führte, nicht zuletzt aufgrund der Uneinigkeit zwischen Kommunisten, Anarchisten und Sozialisten, zu keiner Lösung. Ein erneuter von den Aufständischen initiierter Generalstreik im Ruhrgebiet, dem allerdings nicht alle Bergarbeiter folgten, sollte die Reichsregierung weiter unter Druck setzen. Generalleutnant Oskar v. Watter (1861-1939), Kommandeur der 6. Division und zugleich Befehlshaber des Wehrkreises VI in Münster, ließ daraufhin seine Soldaten und Freikorps mit Härte und Waffeneinsatz gegen die „Rote Ruhrarmee“ vorgehen. Während der Bürgerkriegskämpfe ließ v. Watter Standgerichte durchführen, die zunächst von der Reichsregierung genehmigt waren. Allerdings ignorierte er ein gegen Ende der Kämpfe erlassenes Verbot durch den Reichspräsidenten, was im Juli 1920 zu seiner Entlassung führte.
Dieser Einsatz von Reichswehr und Freikorps beendete einen weiteren kommunistischen Angriff auf die Demokratie, das Resultat waren mehrere hundert Tote im Ruhrgebiet.

Karlskaserne PK 1920

Postkarte: Karlskaserne um 1920

Festzustellen bleibt, dass es in Freiburg und Baden keine nachgewiesenen Aktionen im Sinne des Kapp-Putsches gegeben hat. Zudem hatte sich gezeigt, dass die Reichswehr in ihren größten Teilen loyal zur Weimarer Republik stand.

Kapp Freiburg Karlskaserne mit Siegesdenkmal

Freiburg: Karlskaserne mit Siegesdenkmal im Jahr 2020

 


[1] Hermann Ehrhardt war im Weltkrieg 1914/18 Korvettenkapitän und Chef einer Torpedobootsflottille. 1919 wurde er Freikorpsführer. Seine Brigade Ehrhardt nahm an der Niederschlagung von kommunistischen Aufständen in Braunschweig und München teil, übernahm den Grenzschutz in Schlesien. Ehrhardt gilt als Gründer der Organisation Consul, die in die Morde an Matthias Erzberger und Walther Rathenau verstrickt war. 1922 zunächst verhaftet, gelang ihm die Flucht ins Ausland.
[2] Nachfolgerin der seit dem Umsturz 1918 bis 1919 agierenden Volkswehr, einer Schutztruppe zur Unterstützung der Polizei.
[3] Vgl. StadtAF Dwc 2400, Aussage Hans Franke, Kunstmaler, der als Kompanieführer der Einwohnerwehr angehörte und Knecht als prächtigen Mann bezeichnete.
[4] StadtAF C4/XIII/25/3, Aufruf v. 17.03.1920.

 

Bericht: Boris Günther
Quellen:
Stadtarchiv Freiburg: C4/XIII/25/3; Dwc2400
(Breisgauer Zeitung v. 13.03.1920; Freiburger Tagblatt v. 17.03.1920 u. 22.03.1920; Freiburger Zeitung v. 30.03.1920)
ARGE-Archiv

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